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Journalclub 3-2024

KARDIOTECHNIK Ausgabe:
3-2024

Die Perfusiologie 2024(3): 99-101 | https://doi.org/10.47624/dp.033.JOER3377 

 Die Verfasser der Journalclubs geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

 Neurologic Complications 

after Cardiopulmonary Bypass – A Narrative Review 

T. Gilbey, B.Milne, F. de Somer, G. Kunst Perfusion, 2023; 38(8), 1545–1559; 

doi: 10.1177/02676591221119312 

 Wie ist den mit der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) vergesellschafteten neurologischen Komplikationen beizukommen? Conclusio: Auf die EKZ verzichten. 

Da dies bekannterweise nicht immer möglich ist, wurden im vorliegenden Artikel sämtliche bekannten EKZ-assoziierten neurologischen Komplikationen erörtert. Führend im Sinne der Folgenschwere sind dies den Autoren zufolge die Apoplexie (stroke) sowie der Komplex der neurokognitiven Dysfunktion. Darunter werden zusammengefasst das postoperative Delirium, Krampfanfälle, Koma, Sehstörungen, Nervenschädigungen und das seltene, im pädiatrischen Kontext beschriebene Phänomen post-pump chorea mit unwillkürlich einsetzenden Bewegungsstörungen. 

Gemäß der Charakteristik eines „narrative review“ bleibt die Methodik, also Rechercheprozess und Quellenauswahl, unerklärt. Es wäre bei dieser Thematik durchaus interessant, mehr zur Literaturauswahl der insgesamt 104 Quellen zu erfahren, um eine Einschätzung der Studienlage zu den Einzelthemen vornehmen zu können. Dennoch handelt es sich um eine höchst interessante und wertvolle Übersichtspublikation, welche die wichtigsten Zusammenhänge der neurologischen Komplikationen durch die EKZ beschreibt. Erkennbar ist eine internationale Auswahl aus dem Zeitraum 1968 bis 2022 von überwiegend Meta-Analysen und kontrolliert-randomisierten Studien. Die zitierten Fachgebiete umfassen Herzmedizin (Kardiologie, Kardiochirurgie, Kardiotechnik), Anästhesie, Neurologie, Neurochirurgie und weitere. Inhaltlich verarbeiten Gilbey und Kollegen Studien im OP-Spektrum CABG (OPCAB/ONCAB) sowie der Aortenchirurgie auf Grundlage der vorliegenden Datenumfänge zu diesen Prozeduren. Interventionelle herzmedizinische Eingriffe werden nicht thematisiert. 

Stets begleitet die Autoren die Frage: Ist der kardiochirurgische Eingriff on-pump per se einer der maßgeblichen Faktoren, die das Auftreten eines Hirninfarkts begünstigen? Bedingt, denn es wird herausgestellt, dass vor allem die OP- und Perfusionsstrategie von Bedeutung sind. Hier werden neben patientenseitigen Risikofaktoren, hypotherme Kreislaufstillstände, selektive Kopfperfusion, die Eröffnung von Herzhöhlen, ob und wo die Aorta geklemmt wird, der Ort der arteriellen Kanülierung genannt. Zur Belastung der Aortenwand durch die arterielle Kanüle wird ein Artikel von Abe et al. Einblicke in die Ergebnisse einer In-vitro Studie geben [1]. Interessant sind die Erkenntnisse zur Regulation des arteriellen Mitteldrucks (MAD), welcher sich idealerweise am Ausgangswert (baseline) der Patienten orientiert und möglichst wenigen Schwankungen unterliegt, um das Verhältnis von pumpengesteuertem MAD und cerebraler Autoregulation konstant zu halten. Wichtigkeit kommt auch der präoperativen Risikoeinschätzung zu, welche mithilfe von Scoring-Systemen wie dem surgeons risk calculator (STS) [2] oder dem der Kardiologie entstammenden CHA2DS2-VASc-Score [3] quantifiziert werden kann. 

Im Bereich der neurokognitiven Störungen unterscheiden die Autoren zwischen dem postoperative delirium (POD), beschrieben als akutes, meist reversibles postoperatives Ereignis und dem postoperative cognitive decline (POCD) als ein selten reversibles neurokognitives Phänomen mit zeitlich verzögertem Eintritt nach 30 Tagen bis zu 12 Monaten postoperativ. Auch hier werden konkrete protektive Maßnahmen angegeben: Vermeidung von Hypoxämie, langen Maschinenzeiten, sowie ausladende Schwankungen von Temperatur und MAD. Die Autoren nehmen immer wieder Bezug auf die aktuellen Leitlinien zur EKZ [4], was deren Stellenwert als Referenz verdeutlicht. 

Im Verlauf des Artikels werden auch seltenere neurologische Ereignisse thematisiert: Krampfanfälle (Inzidenz bei ca. 1 Prozent nach kardiochirurgischen Eingriffen), prolongiertes postoperatives Koma, Sehstörungen sowie Nervenschädigungen. Bei Letzteren wird konkret die Problematik einer Schädigung des N. phrenicus durch intrathorakale Hypothermie behandelt. Insgesamt lässt sich zusammenfassen, dass alle empirischen Erkenntnisse darauf hindeuten, dass eine stabile Perfusion ohne ausgeprägte und schnell einsetzende Schwankungen in den steuerbaren Bereichen (MAD, Temperatur, Oxygenierung etc.) die besten protektiven Eigenschaften bei vor neurokognitiven Beeinträchtigungen bietet. 

Bei allen beschriebenen Symptomkomplexen benennen die Autoren stets Zusammenhänge und leiten konkrete Handlungsmöglichkeiten für die Praxis ab. Das macht den ausgesprochen lesenswerten Artikel zu einer wertvollen, höchst fachpraktischen Referenz für eine zeitgemäße Perfusionsführung. 

 Cornelia Wallner/Benjamin Haupt, Berlin 

 Abe F, Müller T, Haupt B, Albes J: Evaluation of HLM-Cannula positioning on aortic wall pressure load: an in vitro experiment, Perfusion (in press).

  1. https://acsdriskcalc.research.sts.org/
  2. Su CH, Lo CH, Chen HH et al.: CHA2DS2-VASc score as an independent outcome predictor in patients hospitalized with acute ischemic stroke. PLoS One. 2022;17(7):e0270823. doi:10.1371/journal.pone.0270823.
  3. Puis L, Milojevic M, Boer C et al.: 2019 EACTS/EACTA/EBCP guidelines on cardiopulmonary bypass in adult cardiac surgery. Interact Cardiovasc Thorac Surg. 2020;30(2):161-202. doi:10.1093/icvts/ivz251.

 

Toward an Adjustable Blood Pump for Wide-Range Operation: 

In-vitro Results of Performance Curve and Hydraulic Efficiency 

S. V. Jansen, C. Heinemann, M. Schuller, T. Schmitz-Rode, U. Steinseifer. 

ASAIO J 2024; doi: 10.1097/MAT.0000000000002163. 

 Zentrifugalpumpen werden in der mechanischen Kreislaufunterstützung und der extrakorporalen Zirkulation angewendet. Die spezifische Pumpengeometrie der Rotoren gibt dabei einen mehr oder weniger engen Drehzahlbereich vor, in dem die hydraulische Energie zum Vortrieb des Blutes am effizientesten übertragen wird. Abweichungen von diesem idealen Drehzahlbereich führen zu veränderter interner Rezirkulation im Pumpenkopf und sind einer der Faktoren für zunehmende Hämolyse. 

In anderen Anwendungsbereichen (Luft- und Raumfahrt, Kraftwerkstechnik) ist es möglich, die Ausrichtung von Rotorblättern dynamisch anzupassen, um einen größeren Drehzahlbereich bei optimierter Leistungsfähigkeit abzudecken. Der Übertrag in die klinische Anwendung ist aus mehreren Gründen nicht trivial. 

Jansen et al. überprüfen in der vorgestellten In-vitro-Studie das Konzept eines innovativen Pumpenkopfes mit flexibel anpassbarer Impeller-Geometrie. Gemessen wurden die Pumpenleistung und hydraulische Effizienz in gängigen ECMO- Fluss- und Drehzahlbereichen. Verglichen wurden die Ergebnisse des flexiblen Pumpenkopfes zu einem starren Impeller mit gleichem Grundaufbau. 

Die Ergebnisse der mit einem Wasser-Glycerol-Gemisch durchgeführten Versuche zeigen für die flexibel anpassbaren Pumpen eine Zunahme der Pumpenperformance von bis zu 47 % bei gesteigerter hydraulischer Effizienz im Flussbereich 1,5–9,5 L/min. 

Ob diese Ergebnisse der ersten Versuche und die verbesserte Pumpenperformance, die theoretisch eine verbesserte Hämokompatibilität implizieren, sich im Einsatz mit Blut bestätigen lassen, ist noch unklar. Denkbar ist auch eine Zunahme der Hämolyserate durch die flexible Rotormechanik durch beispielsweise zusätzliche pumpeninterne Shunts des flexiblen Pumpenimpellers. Weitere fluidmechanische Erkenntnisse sollen durch Folgestudien ebenfalls näher untersucht werden. Die flexiblere Pumpengeometrie und damit verbundene Pumpeneffizienz kann möglicherweise genutzt werden, um die Pumpeneinstellung gemäß individuellen Anforderungen anzupassen. Wie groß der klinische Benefit durch eine möglicherweise verringerte Hämolyse ausfällt, kann erst in zukünftigen Studien erörtert werden. Die initialen Ergebnisse lassen aber hoffen, dass die Hämokompatibilität extrakorporaler Systeme oder intrakorporaler Pumpen zukünftig noch gesteigert werden kann. 

Andreas Teske, Uttenreuth 

Alternative Venous Access Sites for Dual-lumen Extracorporeal Membrane Oxygenation Cannulation 

A.-K. Schoeberl, D. Staudacher, M. Kawashima et. al. Interdisciplinary CardioVascular and Thoracic Surgery 2024, 38(4); doi: https://doi.org/10.1093/icvts/ivae060. 

Die Unterstützung mittels einer veno-venösen extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) zur Behandlung verschiedenster respiratorischer Erkrankungen ist ein etabliertes Verfahren. Während die Verwendung von zwei Kanülen für die Entnahme des venösen Blutes und die Rückgabe des oxygenierten Blutes in den meisten Kliniken der Standard sein dürfte, finden Duallumenkanülen in den meisten ECMO-Zentren immer häufiger eine Anwendung. Die Herausforderung bei der Verwendung einer solchen Kanüle liegt in der Platzierung im Patienten. Die bevorzugte Vene für den Zugang ist die rechte V. jugularis interna. 

Was aber tun, wenn dieser Zugangsweg, z. B. aufgrund einer Thrombose oder Stenose der V. jugularis interna, nicht zu Verfügung steht? 

Aus diesem Grund haben die Autoren dieser Studie die Erfahrungen im Umgang mit alternativen Zugangswegen bei der Verwendung von Duallumenkanülen in drei ECMO-Zentren analysiert und ausgewertet. Insgesamt ließen sich zwanzig Patient:innen für die Studie identifizieren, bei denen ein alternativer Zugangsweg zur V. jugularis interna verwendet wurde. Zur Anwendung kamen die V. jugularis interna (n = 5), die V. subclavia rechts (n = 7), die V. subclavia links (n = 3) sowie die V. femoralis rechts (n = 4) und V. femoralis links (n = 1). Bei allen Patient:innen wurden die Kanülen mittels Seldingertechnik gelegt. Während der Anlage der jeweiligen Kanülen wurden keine Komplikationen berichtet. Lediglich ein:e Patient:in benötigte eine Bluttransfusion aufgrund einer Blutung aus der Kanülierungsstelle. 

Die Autoren konnten in ihrer Studie ebenfalls zeigen, dass sich mit den alternativen Kanülierungsarten zu allen Zeiten ein adäquater ECMO-Fluss realisieren ließ, so dass die Versorgung der Patienten aufgrund des alternativen Zugangsweges nicht eingeschränkt war.  

Marc äger, Bad Nauheim 

 Dilemmas of Adopting Goal-directed Perfusion in Extracorporeal Circulation: 

A Narrative Review 

M. Lukaszewski, MD, PhD. Innovations 2023;18(6):535-539; doi:10.1177/15569845231211904. 

 Viele Standards der extrakorporalen Zirkulation (EKZ) stammen noch aus dem letzten Jahrhundert und nur wenige sind evidenzbasiert. Durch Rannucci et al. wurde das Konzept der „Goal-directed Perfusion“ (GDP) initiiert. Hierbei orientiert sich der Pumpenfluss nicht mehr an einem starren Cardiac-Index, sondern am Sauerstoffangebot (DO2). Dieser berechnet sich aus dem arteriellen Pumpenfluss und dem arteriellen Sauerstoffgehalt. Das Ziel der Arbeit von Lukaszewski war es festzustellen, ob die EKZ mit dem aktuellen Wissensstand und dem Verständnis der menschlichen Physiologie optimiert werden kann. Dafür wurden fünf Studien aus dem Zeitraum 2017 bis 2022 über PubMed mit den Keywords „cardiopulmonary bypass” und „cardiac surgery” und „oxygen delivery” mit den Bedingungen „clinical trial” oder „randomized controlled trial” ausgewählt [1–5]. Der Autor bemängelt, dass in allen Studien der mittlere arterielle Druck vernachlässigt wird. Auch wird die Mikrozirkulation nicht berücksichtigt. Im Falle einer Hypotonie oder bei einem übermäßigen Einsatz von Vasokonstriktoren kann die Durchblutung der Mikrozirkulation reduziert oder gänzlich gestoppt sein, was zu einer scheinbar normalen Sauerstoffextraktion führt. In diesem Fall können weder der arterielle Pumpenfluss noch die venöse Sättigung eine adäquate Gewebeoxygenierung sicherstellen bzw. darauf hindeuten. Eine weitere Einschränkung der Studien ist, dass sie in der Regel nicht die gesamte Bypasszeit einschließen, sondern nur auf die Aortenklemmzeit beschränkt sind oder dies nicht genau spezifizieren. Gerade am Anfang oder am Ende der Perfusion muss der Pumpenfluss durch den Perfusionisten jedoch oftmals gestoppt oder reduziert werden, was zu einem niedrigen DO2 führt. 

Eine weitere Einschränkung der Studien stellt laut dem Autor die Berechnungsmethode der Mittelwertbildung des Sauerstoffangebots während der EKZ dar. So kann eine sehr kurze Episode einer Hypoperfusion schon zu Organschäden führen, welche aber bei der Mittelwertbildung unter Umständen nicht berücksichtigt wird. 

Laut dem Autor wurde in der Arbeit aufzuzeigen versucht, dass die Physiologie der EKZ missverstanden wird. So ist das Hauptproblem bei der Einschätzung, welcher hämodynamische Parameter wichtiger ist, also die physiologischen Beziehungen zwischen diesen Parametern. Beispielsweise erhöht eine Steigerung des Pumpenflusses den Perfusionsdruck; ein steigender Hämoglobinspiegel erhöht die Blutviskosität, den systemischen Widerstand und den Perfusionsdruck. So ist unklar, ob ein physiologischer Zustand durch einen adäquaten DO2 oder durch eine adäquate Kombination aus Blutviskosität und Blutfluss aufrechterhalten wird, was sich im systemischen Druck niederschlägt. 

Der Autor merkt an, dass es möglich wäre, während der EKZ mithilfe von umfangreichem Inline-Monitoring hämodynamische 

Abhängigkeiten zu bestimmen. So könnten mithilfe moderner Datenanalysemöglichkeiten mit großen Datenbanken grundlegende hämodynamische Modelle erstellt werden, auf deren Grundlage die EKZ auf physiologischere Weise durchgeführt werden könnte. Laut dem Autor sollte das Ziel der GDP darin bestehen, die EKZ auf Basis dieser optimierten hämodynamischen Modelle durchzuführen. 

 Simon Mayer, Stuttgart 

 

  1. Ranucci M, Johnson I, Willcox T et al. Goal-directed perfusion to reduce acute kidney injury: A randomized trial. The Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery 2018. 156:1918-1927.e2.
  2. Oshita T, Hiraoka A, Nakajima K, Muraki R, Arimichi M, Chikazawa G, Yoshitaka H, Sakaguchi T. A Better Predictor of Acute Kidney Injury After Cardiac Surgery: The Largest Area Under the Curve Below the Oxygen Delivery Threshold During Cardiopulmonary Bypass. JAHA 2020 9:e015566.
  3. Rasmussen SR, Kandler K, Nielsen RV, Cornelius Jakobsen P, Knudsen NN, Ranucci M, Christian Nilsson J, Ravn HB. Duration of critically low oxygen delivery is associated with acute kidney injury after cardiac surgery. Acta Anaesthesiol 2019; Scand 63:1290-1297.
  4. Newland RF, Baker RA, Woodman RJ, Barnes MB, Willcox TW. Predictive Capacity of Oxygen Delivery During Cardiopulmonary Bypass on Acute Kidney Injury. The Annals of Thoracic Surgery 2019; 108:1807-1814.
  5. Smoor RM, Van Dongen EPA, Verwijmeren L, Schreurs IAAM, Vernooij LM, Van Klei WA, Noordzij PG. Critical oxygen delivery threshold during cardiopulmonary bypass in older cardiac surgery patients with increased frailty risk. European Journal of Cardio-Thoracic Surgery 2022 61:685-692.

 

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