EINLEITUNG
Die veno-venöse extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) ist ein etabliertes Verfahren zur Behandlung von akuten Gasaustauschstörungen der Lunge [1]. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der weltweit durchgeführten ECMO-Behandlungen mehr als verdoppelt. Im Jahr 2020 wurden weltweit über 16.000 ECMO-Therapien durchgeführt, von denen 4812 zur Behandlung von COVID-19-Patient:innen dienten [2,3]. Auf deutschen Intensivstationen waren 2021 rund 720 Systeme zur ECMO-Therapie einsatzbereit [4].
Ein wichtiger Vorteil gegenüber der mechanischen Beatmung liegt in einer verminderten Sekundärschädigung der Lunge [5]. Allerdings stellt eine ECMO aufgrund ihrer Komplexität, den damit verbundenen Patientenrisiken und den vergleichsweise hohen Kosten meist die letzte Option in der intensivmedizinischen Behandlung von Lungenversagen dar. Zusätzlich wird für ihre Durchführung speziell geschultes Personal benötigt [6].
Zu den wichtigsten Bauteilen einer ECMO gehört der Oxygenator, in dem der Gasaustausch zwischen dem Beatmungsgas und dem Blut der Patient:innen stattfindet. Den Standard stellen Membranoxygenatoren (synonym: Kapillarmembranoxygenatoren) dar [7,8]. Der Gasaustausch findet mittels Diffusion über eine semipermeable Hohlfasermembran in Richtung des geringeren Partialdrucks statt [9,10]. Die Diffusionsrate ist von den Membraneigenschaften, der Gasaustauschfläche und der Oberflächenbeschaffenheit abhängig [10,11]. Die Gasaustauschfläche besteht aus einer großen Zahl von Kunststoffhohlfasern mit einer Länge von 10 bis 20 cm, die in einem Abstand von 0,1 bis 0,2 mm zueinander liegen und einen Außendurchmesser von 200 bis 400 μm aufweisen [7,12]. Die einzelnen Hohlfasern werden mit Kettfäden zu einer Fasermatte verbunden, im Oxygenator angeordnet und durch eine Vergussmasse fixiert [9]. Die auf dem Markt befindlichen Oxygenatoren unterscheiden sich in der Anordnung der einzelnen Hohlfasermembranen und weisen eine zylindrische oder quadratische Bauform auf.
Das verwendete Membranmaterial ist anwendungsspezifisch [10]. Zum Einsatz kommen mikroporöse Polypropylenfasern (PP) und diffuse Polymethylpentenfasern (PMP) [13]. PP-Oxygenatoren verfügen über eine hohe Gastransferleistung. Allerdings ist durch die hochporöse Membran ein Übertritt von Blutplasma in die Gasphase möglich. Diese sogenannte Plasma-Leckage tritt besonders bei langer Anwendung auf, wodurch Patient:innen Blutplasma verlieren und die Gasaustauschleistung des Oxygenators sinkt [11,14]. Für Langzeitanwendungen auf Intensivstationen kommen deshalb PMP-Oxygenatoren zum Einsatz [1,14]. Das sauerstoffreiche Gas strömt innerhalb der Hohlfaser, das Blut außen um die Hohlfaser im Oxygenator [9]. Der Gasstrom kann dabei dem Blutstrom entgegengesetzt sein (Gegen-stromprinzip) oder diesen kreuzen (Kreuzstromprinzip) [14,15]. Die meisten Oxygenatoren verwenden das Kreuzstromprinzip, so dass der Gas- und Blutstrom – und meist auch der Wasserstrom – senkrecht zueinander verlaufen [6]. Um eine gleichmäßige Umströmung der Hohlfasern zu ermöglichen, werden in vielen Oxygenatoren Blutverteilerplatten verwendet. Trotzdem können – besonders bei quadratischen Oxygenatoren – Stagnationsbereiche der Strömung auftreten, die eine Blutgerinnung begünstigen und so die Einsatzzeit verringern können [12]. Zur Vermeidung der Blutgerinnung werden die blutführenden Oberflächen mit gerinnungshemmenden Substanzen beschichtet. Verwendet werden heparinhaltige und heparinfreie Beschichtungen, wie z. B. hydrophile Phosphorylcholinbeschichtungen.
Zu den häufigsten Komplikationen einer ECMO gehören Bluttraumata und Thrombosen. Durch die Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten wird zusätzlich das Auftreten von Blutungen begünstigt [16,17]. Besonders bei der Langzeitanwendung können durch eine ungünstige Perfusionsdynamik und unzureichende Blutverträglichkeit zelluläre und fibröse Ablagerungen im Oxygenator auftreten [1,18]. Durch die Entwicklung von herstellerspezifischen Oberflächenbeschichtungen konnte in der Vergangenheit die Menge an verabreichten Gerinnungshemmern gesenkt und dadurch die Zahl von Zwischenfällen durch eine Blutung verringert werden [19]. Trotz der guten Antikoagulation bleibt die Bildung von Koagula im Oxygenator ein häufiger Befund [16]. Diese zellulären und fibrösen Ablagerungen beeinträchtigen den Gasaustausch und erhöhen den Strömungswiderstand im Oxygenator. Die fortschreitende Abnahme der Gasaustauschleistung macht einen Wechsel des Oxygenators erforderlich [1]. Kommt es zu einer Verschleppung der Koagula in das Gefäßsystem des Patienten, können dort Embolien entstehen. Auch körperfremde Partikel aus dem Oxygenator können zu Komplikationen führen und z. B. Embolien hervorrufen [18]. So sind beispielsweise Mikroembolien für das empfindliche Gewebe der Netzhaut und für das neuropsychologische Outcome der Patient:innen von großer Bedeutung [18,20]. Histopathologische Untersuchungen von Patient:innenproben gaben in der Vergangenheit Hinweise auf embolische Probleme im zentralen Nervensystem nach herzchirurgischen Eingriffen [18]. Kommen während einer extrakorporalen Zirkulation Rollenpumpen zum Einsatz, kann die dabei auftretende Spallation für den Eintrag von Mikropartikeln in den Körper verantwortlich gemacht werden. Durch die immer wiederkehrende Kompression des Schlauchsegmentes lösen sich Partikel, die in den Blutkreislauf der Patient:innen gelangen können [18, 21–24]. Diese Partikel sind nicht inert und wurden bereits in Makrophagen und Riesenzellen von Patient:innen nachgewiesen [25, 26]. Sie stehen u. a. im Verdacht, Leberentzündungen und -fibrosen auszulösen [22]. Peek et al. erkannten im Jahr 2000 bei der Untersuchung des damaligen Einsatzes von Rollenpumpen während einer ECMO, dass die Materialeigenschaften des Schlauchsets, der Schlauchdurchmesser, die eingestellte Okklusion und Pumpgeschwindigkeit, die Anwendungsdauer sowie Druck und Temperatur zu den wichtigsten Einflussfaktoren des Materialabriebs gehören [27]. Bei dem inzwischen standardmäßigen Einsatz von Zentrifugalpumpen fällt diese Verformung der Schläuche weg. Ob ein Material- verschleiß im Oxygenator alleine zum Materialeintrag in den Patient:innen beiträgt, ist bislang nicht ausreichend bekannt, da es an entsprechenden Untersuchungen fehlt.
Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der blutseitigen Oberfläche des Membranmaterials von Oxygenatoren nach einer ECMO-Langzeitanwendung. Hierzu wurden zwei Fragen bearbeitet:
- Sind Unterschiede in den Membranoberflächen zwischen einem neuen und gebrauchten Oxygenator erkennbar?
- Sind Unterschiede in den Membranoberflächen verschiedener Strömungsbereiche gebrauchter Oxygenatoren erkennbar?
METHODE
Die Untersuchung der Oberflächenstruktur erfolgt an einem Rasterelektronenmikroskop (REM) des Herstellers Hitachi (Japan), Modell Regulus 8230, mit einer Beschleunigungsspannung zwischen 3 und 10 kV und verschiedenen Vergrößerungen im Bereich von 30-fach bis 4500-fach. Mit demselben REM können auch Aufnahmen mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) angefertigt werden, um das Material chemisch zu klassifizieren.
Als Einschlusskriterium für die untersuchten Oxygenatoren wurde eine Anwendungszeit von mehr als 48 Stunden auf einer Intensivstation für Erwachsene festgelegt. Ausschlusskriterium war eine COVID-19-Infektion der Patient:innen (aufgrund der laborseitigen, sicherheitstechnischen Anforderungen bei der Materialaufbereitung). Im Untersuchungszeitraum von Mai bis November 2021 wurden drei gebrauchte Oxygenatoren von den Partnerkliniken zur Verfügung gestellt (Tab. 1). Alle untersuchten Oxygenatoren verfügten über eine quadratische Gehäusegeometrie und stammen vom Hersteller Getinge AB.

Tab. 1: Übersicht der untersuchten Oxygenatoren
Direkt nach Beenden der Anwendung der vv ECMO in der Klinik wurden die Oxygenatoren mit Wasser durchgespült, oberflächlich von Blutrückständen befreit und an das Zentrum für Ergonomie und Medizintechnik der FH Münster gesendet. Dort erfolgte eine erneute oberflächliche Reinigung mit Ethanol und eine abwechselnde Spülung mit destilliertem Wasser und 80 %iger Ethanollösung (je 2 mal á5 min mit V = 5 l/min in wechselnder Flussrichtung). Nach dem Spülvorgang wurden die Oxygenatoren für mindestens 48 Stunden getrocknet. Danach erfolgte die Präparation der Proben. Hierzu wurden die Oxygenatoren mit einer Bandsäge aufgetrennt, um eine ca. 1 cm² große Probe der Hohlfasern aus zwei unterschiedlichen Bereichen zu entnehmen. Im Bereich nahe des Zu- und Abflusses sind konstruktionsbedingt die höchsten Flussraten zu erwarten (High flow-Bereich, hf), in dem von diesen Anschlüssen entferntesten Bereich die niedrigsten (Low flow-Bereich, lf). Zur weiteren Untersuchung wurden die Proben mit einer dünnen Kohlenstoffschicht bedampft, um eine elektrische Aufladung während der REM-Untersuchung zu verhindern (Abb. 1).

ERGEBNISSE
Die REM-Aufnahmen aller Proben zeigten unabhängig von ihrer Laufzeit eine vergleichbare Oberflächenbeschaffenheit. Abbildung 2 stellt die untersuchten lf-Proben gegenüber. Alle Proben wiesen systematisch horizontal durchgehend verlaufende Einkerbungen und sich wiederholende flächige Einkerbungen sowie unregelmäßige Einkerbungen auf. Auf allen Proben wurden einzelne Partikel mit einer Größe von wenigen Mikrometern beobachtet.
Abb. 3 stellt die untersuchten hf-Proben gegenüber. Wie zuvor sind systematisch horizontal durchgehend verlaufende Einkerbungen zu sehen sowie sich wiederholende, flächige Einkerbungen und unregelmäßige Einkerbungen. In der Aufnahme des neuen Oxygenators (Abb. 3 oben links) ist zusätzlich einer der Kettfäden sowie ei- ne davon abgerissene Faser zu sehen.


An den Proben aus den gebrauchten Oxygenatoren wurden flächig auftretende Ablagerungen mit kristall- bzw. stäbchenförmigen Strukturen festgestellt (Abb. 4). Zwischen den hf- und lf-Bereichen des unbenutzten Advanced 5.0-Oxygenators und des PLS-i-Oxygenators konnten qualitativ keine Unterschiede der Ablagerungsdichte festgestellt werden. Beim Modell Advanced 7.0 lagen im lf-Bereich mehr und großflächigere Ablagerungen vor als im hf- Bereich. Die Ablagerungen auf den Hohlfasern der verwendeten Oxygenatoren Advanced 7.0 erschienen insgesamt stärker ausgeprägt.
Zur detaillierteren chemischen Analyse wurden von den Ablagerungen des PLS- i-Oxygenators EDX-Aufnahmen angefertigt. Das Ergebnis zeigt, dass die Ablagerungen überwiegend aus den Elementen Natrium und Chlor bestehen (Abb. 5).


DISKUSSION
Die Untersuchung am REM ergab keine Unterschiede der Membranoberflächen zwischen dem neuen und den gebrauchten Oxygenatoren. Alle Proben wiesen systematische und in geringerem Maß stochastische Einkerbungen und Riefen gleicher Qualität auf. Strömungsbedingte Materialunterschiede zwischen den hf- und lf-Bereichen ließen sich ebenfalls nicht feststellen. Nach Einschätzung der Autoren sind die systematischen Spuren in der Membranoberfläche fertigungsbedingt und beeinflussen die Funktion der Oxygenatoren nicht. Bei den stochastischen Artefakten liegt die Vermutung nahe, dass diese durch die Präparation der Proben entstanden sind. So kann das Anhaften von kleinen Partikeln auf der Membranoberfläche auf das Sägen der Materialproben zurückzuführen sein. Auch hier ließen sich in der Häufigkeit und Ausprägung keine Unterschiede zwischen den hf- und lf-Bereichen der untersuchten Oxygenatoren finden. Als Ergebnis der REM-Untersuchung gehen die Autoren nicht von einer strömungsbedingten Beschädigung der Membranoberfläche – z. B. durch korpuskulare Blutbestandteile – aus.
Unterschiede zwischen dem neuen und den gebrauchten Oxygenatoren ergaben sich jedoch bei den zellulären und fibrösen Ablagerungen auf den Membranoberflächen. Bei dem neuen Oxygenator ließen sich diese nicht feststellen. Bei den gebrauchten Oxygenatoren wiesen jedoch alle untersuchten Proben Ablagerungen auf. Bei zwei Oxygenatoren traten diese im lf-Bereich stärker als im hf-Bereich auf. Bei dem anderen Oxygenator konnte augenscheinlich kein strömungsbedingter Unterschied der Anhaftungen festgestellt werden. Das Ergebnis der EDX-Aufnahme zeigt, dass die Ablagerungen überwiegend aus den Elementen Natrium und Chlor bestehen. Beide Elemente sind Bestandteile des Blutplasmas. Zellbestandteile des Blutes konnten nicht gefunden werden. Die Autoren gehen daher davon aus, dass es sich bei den Anhaftungen um Blutplasmarückstände handelt. In der Literatur wird das vermehrte Auftreten von Blutgerinnseln und Entzündungsreaktionen im Oxygenator als die Hauptursache für einen frühzeitigen Oxygenatorwechsel genannt [28,29]. Ungeklärt bleibt, ob es sich bei den Anhaftungen um Blut handelt, das bei der Spülung der Oxygenatoren nicht ausreichend ausgewaschen wurde und nach dem Einsatz angetrocknet ist, oder ob sie bereits während des Betriebes auf der Membranoberfläche des Oxygenators entstanden sind. In zukünftigen Untersuchungen sollte daher geklärt werden, in welchem Ausmaß die Ablagerungen erst nach oder bereits während der Anwendung des Oxygenators auftreten. Hierzu sollte die ausführliche, 15-minütige Spülung der Oxygenatoren bereits unmittelbar nach der Anwendung erfolgen, um ein späteres Anhaften und Trocknen von Blutbestandteilen zu vermeiden.
LIMITATIONEN
Zu den Limitationen gehört, dass durch die Untersuchung der vier Oxygenatoren keine pauschalen Aussagen über andere Oxygenatormodelle möglich sind.
DANKSAGUNGEN
Die Autoren danken Jörg Optenhöfel (Medizinische Hochschule Hannover, Hannover), Markus Rudloff (Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen) sowie Patrick Hewing und Mike Byhan (Life Systems Medizintechnik-Service GmbH, Münster) vielmals für die Bereitstellung der Oxygenatoren.
INTERESSENKONFLIKT
Die Autoren geben an, keine Interessenkonflikte zu haben.