Einleitung
Die Patientenklientel im Bereich der Chirurgie angeborener Herzfehler ist in Bezug auf Alter, Größe und Gewicht sehr vielschichtig. Um routinemäßig vom Neugeborenen bis zum Erwachsenen eine optimale patientenorientierte extrakorporale Zirkulation (EKZ) durchführen zu können, ist es notwendig, die Einsatz- und Grenzbereiche der jeweilig verwendeten Komponenten wie Oxygenatoren, Kanülen und Verbindungsschläuche zu kennen. Nur durch die Optimierung und Anpassung der Komponentenauswahl und Schlauchlängen ist es möglich, die Oberfläche und das Füllvolumen des verwendeten EKZ-Systems zu optimieren [1].
Die Besonderheit bei der Perfusion von Säuglingen und Kleinkindern ist die Diskrepanz zwischen dem Blutvolumen der Patienten und der Menge des benötigten Primings. Dieses ungünstige Verhältnis zueinander führt zu einer verstärkten Hämodilution während der EKZ [2,3]. In Übereinstimmung mit den Leitlinien Volumentherapie können deshalb auch für Kinder balancierte Vollelektrolytlösungen zur perioperativen Flüssigkeitstherapie empfohlen werden [4,5]. Kolloide können bei Kindern mit Hypovolämie intraoperativ eingesetzt werden, wenn Kristalloide alleine nicht ausreichend wirksam und Blutprodukte nicht indiziert sind. Kolloide sollen zurückhaltend infundiert werden, um eine Hypervolämie zu vermeiden und um die Gerinnungs- und Thrombozytenfunktion nicht negativ zu beeinflussen [4,6]. Die Priminglösung zum Vorfüllen der EKZ wird auf die zu operierenden Patienten optimiert. Ziel ist es hierbei, das Priming möglichst physiologisch auszulegen. Während kristalloide Lösungen die Nebenwirkungen von Fremdblutkomponenten verringern, können Flüssigkeitsverschiebungen ins Interstitium zu Ödemen führen. Kolloidale Lösungen dagegen bleiben länger im Intravasalraum und tragen zu einer besseren Kreislaufstabilität bei [7]. Viele Primingstrategien sind, wie nicht veröffentlichte Umfragedaten der AG „Kinder und Säuglingsperfusion“ der DGfK aus dem Jahr 2014 zeigen, so angelegt, dass sie nah am physiologischen kolloidosmotischen Druck der Patienten liegen. Dies soll Flüssigkeitsverschiebungen ins Interstitium verhindern, die zu Ödemen führen können. Die Zusammensetzung der Extrazellularflüssigkeit von Menschen ist in allen Altersklassen vergleichbar. Deshalb können bei Kindern zur intraoperativen Flüssigkeitstherapie die gleichen Infusionslösungen wie bei Erwachsenen eingesetzt werden [4].
Für die Primingzusammensetzung im Allgemeinen und bei Kindern und Säuglingen im besonderen existieren derzeit keine einheitlichen Standards. Die aktuell vorherrschenden, zentrumspezifischen Standards für EKZ bei Erwachsenen variieren erheblich, jedoch sind Trends in Richtung Minimalisierung des Primings hin zu alleiniger Verwendung kristalloider Lösungen erkennbar [8].
Material und Methoden
Die Grundlage der vorliegenden Veröffentlichung war die Analyse des Ist-Zustandes des EKZ-Primings, welches bei Säuglings- und Kinderherzoperationen angewendet wird. Dazu wurde im Sommer 2021 eine Umfrage unter den Mitgliedskliniken der AG „Kinder- und Säuglingsperfusion“ der DGfK durchgeführt. Dies sind 17 deutsche Zentren mit Kinderherzchirurgie sowie eine Schweizer Klinik. Darüber hinaus wurden auch die verbleibenden Nichtmitgliedskliniken in Deutschland befragt. Ziel war es, für drei vorgegebene Gewichtsgruppen (<5 kg KG, 5–10 kg KG und 10–25 kg KG) einen Überblick über die verwendeten Primingkomponenten und deren Mengen zu erhalten. Die Datenabfrage war unterteilt in vier verschiedene Hauptkategorien: kristalloide Lösungen, kolloidale Lösungen, Blutprodukte und sonstige Primingzusätze. Weiterhin wurde abgefragt, ob das verwendete Priming zur Verbesserung der Qualität hämofiltriert wird und/oder vorgewaschene Erythrozytenkonzentrate (EK) eingesetzt werden. Die Auswertung erfolgte in Microsoft Excel in tabellarischer sowie graphischer Darstellung. Ein Hauptmerkmal war die Gesamtmenge des Primings in den jeweiligen Gruppen (Abb. 1) und die Anzahl mit Häufigkeiten der verwendeten Primingkomponenten (Abb. 2).
Ergebnisse Primingumfrage
Von den 22 angeschriebenen Kinderherzzentren haben alle an der Umfrage teilgenommen, so dass eine 100%ige Rücklaufquote erreicht wurde.
Als kristalloide Lösungen kommen Ringer-Acetat, Jonosteril, Sterofundin, Duosol sowie Plasmalyte A zum Einsatz. Als kolloidale Lösungen werden Gelafundin (GEL) und Humanalbumin (HA) verwendet.
Als Blutprodukte werden EK sowie gefrorenes Frischplasma (GFP) eingesetzt. Weitere Primingzusätze sind hauptsächlich Heparin, Mannitol, Calcium und Natriumbicarbonat (NaBic). In einzelnen Zentren werden auch Zusätze wie Vitamin C, Inzolen, Magnesium, Prednisolon, Cefuroxim sowie Tranexamsäure dem Priming zugegeben (Tab. 1).

Gruppe <5 kg KG
Für die Gruppe von <5 kg Körpergewicht (KG) ergab die Umfrage, dass 87 % der Kliniken kristalloide Lösungen zum Füllen der EKZ nutzen. Kolloidale Lösungen nutzen 50 % der Befragten. Blutprodukte werden aufgrund der hohen Dilution in vielen Kliniken standardmäßig eingesetzt. So werden EK in 59 % der Kliniken standardmäßig und in 36 % der Kliniken Hb-abhängig eingesetzt. 23 % der Kliniken setzen GFP als festen Primingbestandteil ein, weitere 14 % geben es bei Bedarf hinzu. 96 % der Kliniken verwenden Heparin als Primingzusatz. Hiervon verwenden 76 % eine feste Heparindosis und 24 % der Kliniken eine gewichtsadaptierte Dosis. Weiterhin findet Mannitol in 46 % und NaBic in 54 % der Kliniken Anwendung. Zur Qualitätsoptimierung filtrieren 64 % der befragten Abteilungen das Priming vor dem EKZ-Start. In 28 % der Kliniken werden bei EK-Einsatz im Priming vorgewaschene EKs standardmäßig verwendet (Tab. 1).
Die Anzahl der verwendeten Primingkomponenten umfasst einen Bereich von 2–8 (Median 5,5) verschiedenen Bestandteilen und liegt im Mittel bei 5,5 ± 1,7. Die Menge des Gesamtprimingvolumens liegt zwischen 95–360 ml (Median 203 ml) mit einem Mittelwert von 218 ± 72 ml.
Gruppe 5–10 kg KG
Für die Gruppe der Patienten mit 5–10 kg KG werden zum Füllen der Herz-Lungen-Maschine (HLM) zu 87 % kristalloide Lösungen verwendet. 50 % der Häuser nutzen zusätzlich kolloidale Lösungen. Im Bereich der Blutprodukte geben 55 % der Häuser EK als invariablen Bestandteil ins EKZ-Priming, 64 % geben es bei Bedarf. Der Anteil der Kliniken, die GFP fest im Priming einsetzen, sank im Vergleich zur Gruppe bis 5 kg von 23 % auf 9 %. 14 % der Kliniken setzen GFP bei Bedarf ein. Aufgrund des reduzierten Einsatzes von EK-Anteilen sank die Anzahl der Zentren, die ihr Priming filtrieren, von 64 % auf 59 %. Die Häufigkeit der Anwendung von vorgewaschenen EKs zum Vorfüllen der EKZ sank im Vergleich zur Gruppe 5–10 kg der Patienten mit <5 kg von 28 % auf 23 % (Tab. 1).
Die Anzahl der verwendeten Primingkomponenten liegt in dieser Gruppe zwischen 2–8 (Median 5,0) Bestandteilen und im Mittelwert bei 5,4 ± 1,8. Die Menge des Gesamtprimingvolumens liegt zwischen 110–360 ml (Median 247 ml) mit einem Mittelwert von 239 ± 69 ml.
Gruppe 10-25 kg KG
In der Gruppe von 10–25 kg KG setzt sich der Trend der Vereinfachung des Primings und der Reduktion der verwendeten Bestandteile fort. Hier wird nur noch von 14 % der Kliniken EK standardmäßig im Priming angewandt, 64 % fügen es weiter bei Bedarf zu. Der Anteil der Zentren, die HA verwenden, liegt bei 36 %. GFP wird in 5 % ebenfalls bei Bedarf eingesetzt. Trotz des verringerten festen Einsatzes von Blutprodukten filtrieren 50 % der Häuser in dieser Gruppe weiterhin das Priming (Tab. 1).


Die Anzahl der verwendeten Primingkomponenten umfasst einen Bereich von 2–8 (Median 4,5) Bestandteilen mit einem Mittelwert von 4,6 ± 1,8. Die Menge des Gesamtprimingvolumens liegt zwischen 200–700 ml (Median 400 ml) mit einem Mittelwert von 400 ± 131 ml.
Diskussion
In der durchgeführten Umfrage bestand das klinikspezifische Priming des EKZ-Systems in der Gruppe bis 5 kg KG aus 2–8 Bestandteilen. Das Gesamtprimingvolumen lag in dieser Gruppe zwischen 95–360 ml. In der Gruppe bis 10 kg KG fanden ebenfalls zwischen 2–8 Primingkomponenten Anwendung, bei einem nur leicht erhöhten Gesamtprimingvolumen von 110–360 ml. Patienten bis 25 kg KG hatten ebenfalls bis zu 8 Primingbestandteile, bei Volumina von 200–700 ml.
In allen Patientengruppen wurden bis zu 8 Komponenten im Priming eingesetzt und standen somit nicht im Zusammenhang mit der Menge der benötigten EKZ-Systemfüllung. Das ist interessant, da die Initiatoren der Umfrage davon ausgegangen waren, dass bei erhöhtem Bedarf an Primingvolumen mehr Komponenten Anwendung finden müssten, um das Ungleichgewicht zwischen Patientenblut und systembedingter Hämodilution ausgleichen zu können.
In der Kinderherzmedizin fehlen, wie die Umfrage zeigt, einheitliche Konzepte zum Priming der EKZ. Individuelle Erfahrungen und Wissen über die anatomischen und physiologischen Verhältnisse führen im Team um eine Kinderherzoperation zu kontroversen Diskussionen. Um z. B. EK-Gaben zu definieren, wurden von mehreren Autoren Triggerschwellen für zyanotische und azyanotische Herzfehler definiert [3,9,10].
Je größer das Missverhältnis des Primingvolumens der EKZ zum eigentlichen Patientenblutvolumen ist, desto eher muss auf Zugabe von Sauerstoffträgern in Form von EK oder zur Stabilisierung des Volumenhaushaltes auf kolloidale Lösungen zurückgegriffen werden (Tab. 2).
Allerdings ist die Grundvoraussetzung für eine fremdblutfreie Kinderherzoperation mit EKZ, dass bereits beim Priming auf Fremdblut verzichtet werden kann [11]. Entscheidend hierfür ist, dass die EKZ-Systeme auf einer modifizierten HLM individuell an die Patienten angepasst werden [1,3,9,10]. Mehrere Arbeitsgruppen konnten den Nachweis erbringen, dass eine Minimierung der Fremdoberfläche zur Primingreduktion und somit zu verminderter Hämodilution führt [10,12–16].
Eine weitere Möglichkeit, um eine Minimierung von EKZ-Systemen zu erreichen, scheint die Auswahl des Myokardprotektionsverfahrens zu sein. Mikroplegie, integriert ins EKZ-System, ist im Verhältnis zu anderen auf dem Markt befindlichen Kardioplegien ohne Hämodilution möglich. Der Verzicht auf Wärmetauscher und die Vermeidung kardioplegiebedingter Hämodilution könnte ein weiterer Ansatz sein, um das EKZ-System zusätzlich zu minimieren [17].
Der Minimalisierung sind aber auch physikalische und technische Grenzen gesetzt [1]. Böttcher et al. gehen in ihrem EKZ-Setup sehr stark an diese Grenzen, indem sie sehr kleine Schlauchlumina verwenden. Die Arbeitsgruppe untersuchte, ob diese Anpassungen negative Auswirkungen auf die Nieren haben. Die Systeme ermöglichen meist ein EK-freies Primen und Starten der EKZ. Trotz des erhöhten Sogs zur venösen Drainage und hohem Druck in der miniaturisierten EKZ konnten keine negativen Einflüsse wie eine erhöhte Hämolyserate sowie eine vermehrte Inzidenz für akute Niereninsuffizienz (AKI) im Vergleich zu früheren Studien festgestellt werden [18].
Mehrere Arbeitsgruppen konnten nachweisen, dass durch Hb-triggerschwellengesteuertes Priming der EKZ-Systeme der intraoperative Gesamtfremdblutverbrauch bei Säuglingsherzoperationen signifikant gesenkt werden bzw. zum Teil komplett darauf verzichtet werden konnte [3,10,16].

Murin et al. senkten signifikant die Mortalität in ihrem Patientenkollektiv bis 7 kg KG – für alle Herzfehler durch konsequenten Verzicht auf Blutpriming und eine Hb-Triggerschwelle an der EKZ von 8 g/dl [19]. In der Metaanalyse von Karkouti konnte der Nachweis erbracht werden, dass ein Auftreten einer akuten Niereninsuffizienz mit der Menge an transfundierten Fremdblutprodukten im direkten Zusammenhang steht [20].
Die Arbeitsgruppe um Böttcher et al. konnte zeigen, dass durch die Minimierung und einem damit verbundenen, möglichst blutfreien Priming der EKZ oftmals eine hinreichend stabile postoperative Hämostase erreicht wurde. Dies eröffnete dem Team die Möglichkeit, auf die Transfusion von Thrombozytenkonzentraten (TK), GFP und Gerinnungsfaktoren zu verzichten bzw. diese zu reduzieren [9].
Bezogen auf die Gabe von Gerinnungsprodukten ins Priming, zeigte die vorliegende Umfrage, dass 23 % der Zentren GFP, aber kein Zentrum TK zum Füllen der EKZ in der Patientengruppe bis 5 kg KG verwendet. Auch auf Fibrinogen sowie andere Einzelfaktoren im Priming wird verzichtet. Die Studienlage zur Effektivität von Gerinnungsprodukten im Priming bezüglich postoperativer Blutungen zeigt sich dahingehend uneinheitlich. Die Mehrheit der Studien konnte keinen Vorteil in der Verwendung von Plasmaprodukten nachweisen [3,21–23]. Einige Untersuchungen lassen jedoch durchaus auf einen Nutzen von therapeutischem Plasma im Priming der EKZ schließen, insbesondere bei Patienten mit zyanotischen Vitien oder vor komplexen Operationen [24,25].
Auch wenn kein TK im Priming verwendet wird, ist zu erwähnen, dass manche Zentren TK in der Wiedererwärmungsphase der EKZ verabreichen. Gautam et al. konnten in einer prospektiven, randomisierten Studie an 42 Säuglingen, die 10 ml/kg KG TK vor dem EKZ-Abgang transfundiert bekommen haben, einen geringeren Gesamtbedarf an Gerinnungsprodukten sowie kürzere OP- und Nachbeatmungszeiten zeigen [26]. Die vorliegende Studienumfrage zeigt darüber hinaus, dass 45 % der Zentren HA zum Füllen der EKZ bei Patienten bis 10 kg KG verwenden. In mehreren Studien zum Einsatz von 20%igem HA wurden mit Hinblick auf die postoperativen hämodynamischen Parameter, die Thrombozytenzahl, sowie die postoperative Gewichtszunahme positive Effekte beschrieben [27–30].
Weiler et al. untersuchten keine Kinder, sondern 520 Erwachsene, bei denen eine isolierte Bypass-OP mit EKZ durchgeführt wurde. Die Arbeitsgruppe konnte durch das Priming mit 5%igem HA gegenüber kristalloiden Lösungen einen Vorteil bezüglich des postoperativen Laktats, bei sonst gleichen Outcome-Parametern, nachweisen [31]. Ebenfalls bei 220 isolierten Bypass-OPs konnten Lee et al. durch Zugabe von 20%igem HA ins Priming eine signifikant verringerte postoperative AKI-Rate zeigen [32].
Dennoch wird der Einsatz von HA im Priming sowie als Volumenersatz intra- und postoperativ aufgrund fehlender großer hochqualitativer Studien für den Bereich der Kinder- und Säuglingsperfusion kontrovers diskutiert.
Kolloidosmotischer Druck
Der kolloidosmotische Druck (KOD) spielt für die Aufrechterhaltung des Plasmavolumens eine große Rolle. Beeinflusst wird er hauptsächlich durch Proteine, von denen das Albumin mit ca. 80 % den größten Anteil darstellt. Die verbleibenden 20 % machen Globuline und Fibrinogen aus. Kommt es durch einen Verlust an Albumin zum Absinken des KOD im Blut, so tritt vermehrt Flüssigkeit aus dem Intravasalraum in das Interstitium und es kommt potenziell zur Ödembildung. Der Referenzbereich eines gesunden Erwachsenen liegt zwischen 20–35 mmHg und unterscheidet sich nicht von dem eines gesunden Kindes [33,34]. Wichtig hierbei ist, dass der KOD mit der Proteinkonzentration korreliert (r = 0,92) [35].
Crook et al. konnten zeigen, dass herzkranke Patienten unter 10 kg KG vor der EKZ einen KOD von 13,9 ± 2,5 mmHg aufwiesen. In der Arbeit ist ebenfalls beschrieben, dass Patienten mit leichten Herzfehlern einen signifikant höheren KOD als kritisch kranke Neugeborene hatten (16 ± 3 mmHg vs. 12,5 ± 2,5 mmHg). Die Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass ein verringerter KOD vor EKZ-Start negative Auswirkungen auf die Beatmungsdauer und das Überleben hat [36].
Tonessen et al. konnten bei der Untersuchung von Intensivpatienten feststellen, dass ein KOD unter 15 mmHg potenziell negative Auswirkungen auf das Überleben hat [37].
Kolloidales Priming erhöht den KOD, reduziert die Menge des kristalloiden Anteils und verringert nach EKZ das postoperative extravaskuläre Lungenwasser (EVLW) [38]. Einflussfaktoren für ein erhöhtes EVLW und postoperative Gewichtszunahmen sind, neben einem niedrigen Körpergewicht bei Neugeborenen, das Verhältnis von Priming zu Patientenblutvolumen, Dauer der EKZ, niedrige intraoperative Körperkerntemperatur und ein niedriger Hämatokrit [39]. Golab et al. konnten keinen signifikanten Einfluss eines KOD von >18 mmHg im Priming auf das postoperative Ergebnis zeigen. In der Gruppe mit KOD von 15–18 mmHg war ebenfalls kein signifikanter Vorteil bezogen auf das prä- und postoperative Patientengewicht, die Urinausscheidung, den Blutverlust und die Flüssigkeitsbilanzen nachweisbar [28]. Liegt der KOD jedoch über der Norm von >30 mmHg, kann es zu einer reduzierten Urinausscheidung kommen [40].
Primingbestandteile
Kristalloide Lösungen
> Vollelektrolytlösungen
Vollelektrolytlösungen (VEL) sind balancierte, zumeist isotonische Infusionslösungen mit einem physiologischen Elektrolytmuster, welches an das Blutplasma angepasst ist. Weiterhin enthalten sie metabolisierbare Anionen (z. B. Azetat), welche zu Bikarbonat verstoffwechselt werden [41]. Da deren Zusammensetzungen der Extrazellularflüssigkeit am ähnlichsten sind und sie keine iatrogenen Störungen des Elektrolythaushaltes erzeugen können, sollten diese Lösungen bei Kindern und Säuglingen als primärer Volumenersatz verwendet werden [4–6]. Neben den weitreichenden Vorteilen und der guten Verfügbarkeit sind auch hier negative Effekte nicht auszuschließen. Im Falle einer Überdosierung von VEL kann es zu Ödembildung und gefährlichen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt kommen. Negative Auswirkungen auf das kindliche Herz-Kreislauf-System sind nicht zu erwarten, Ödeme erhöhen jedoch die Morbidität [41].
> Hämofiltrationslösungen
Hämofiltrationslösung (HFL) z. B. Duosol (B. Braun, Melsungen, Deutschland) ist eine isotone, bicarbonatgepufferte Vollelektrolytlösung mit variablen Kaliumanteilen (Tab. 3). Die Lösung ist zur intravenösen Infusion vorgesehen, um den durch die Hämofiltration verursachten Flüssigkeitsverlust auszugleichen. Da konventionelle Priminglösungen mit NaCl eine unphysiologische Elektroytzusammensetzung haben (z. B. hoher Chloridgehalt) und metabolisierbare Anionen fehlen, kann es zu einer hyperchlorämischen Azidose kommen, welche sich negativ auf die Nierenfunktion auswirkt [41]. Durch Verwendung von HFL erhält man eine annähernd physiologisch zusammengesetzte Priminglösung.
Kolloidale Lösungen
Die Volumenwirkung beim Einsatz von VEL ist aufgrund des Verhältnisses zwischen extrazellulärem Volumen und Plasmavolumen vor allem bei Säuglingen und Neonaten geringer. Folge der VEL-Gabe kann ein Abfall der Plasmaproteinkonzentration mit folglicher Abnahme des KOD sein. Wenn VEL alleine nicht mehr ausreichend wirksam sind, können kolloidale Lösungen als Volumenersatz eingesetzt werden [4,42]. Dabei können HA oder künstliche Kolloide wie Gelafundin verwendet werden. Im direkten Vergleich sind künstliche Kolloide kostengünstiger, ebenso effektiv wie HA, jedoch frei von Infektionsrisiken [41]. Auch unterliegen sie nicht der Chargendokumentationspflicht.
> Gelafundin
GEL ist das künstliche Kolloid, mit dem die meisten Erfahrungen in der Volumentherapie bei Neugeborenen vorliegen. GEL kann ebenso wie HA bei Kindern eingesetzt werden. Es sollte in balancierter Lösung angewendet werden, um den Säure-Basen-Haushalt weniger zu beeinflussen. Bei Erwachsenen sind allergische Reaktionen bei 0,05–0,1 % aller Patienten beschrieben [43]. Ob dies für Kinder ebenfalls gilt, ist unklar, da es kaum Studien jenseits des Neugeborenenalters gibt. Zu beachten ist, dass GEL in höheren Dosierungen zur Beeinträchtigung der Gerinnungsfunktion führen kann. Bei moderater Gabe mit 10–20 ml/kg KG konnte keine erhöhte Blutungsneigung festgestellt werden [42,44,45].
Die vorliegende Umfrage deckt sich mit den Ergebnissen einer internationalen Abfrage aus dem Jahr 2021 durch Walcak et al. Dabei hat HA in verschiedenen Konzentrationen einen hohen Stellenwert als Primingbestandteil bei Kindern und Säuglingen, wohingegen künstliche Kolloide weltweit nur vereinzelt eingesetzt werden [46].

> Humanalbumin
HA ist ein Extrakt aus menschlichem Plasma und gehört zur Gruppe des Plasmaersatzes und der Plasmaproteinfraktion. Es wird für die Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des zirkulierenden Blutvolumens bei Patienten verwendet, bei denen ein verringertes Volumen festgestellt wurde und die Indikation zur Anwendung eines Kolloids angezeigt ist. Im Bereich der Kinderherzchirurgie wird es von vielen Zentren zur Füllung des EKZ-Systems sowie im weiteren Verlauf als Volumenersatz eingesetzt [5,27,47,48]. Das Ziel der Gabe von 20%igem HA ist eine Erhöhung des KOD und dadurch die Kontrolle des Flüssigkeitshaushaltes, die Reduzierung des Kapillarlecks und der intraoperativen Ödembildung [27,28,30,49,50].
Die Gebrauchsanweisung gibt keine konkrete Dosisempfehlung oder Angabe zur Maximaldosis pro kg KG an und verweist auf die Notwendigkeit einer individuellen ärztlichen Einschätzung. Die Expertenmeinung der AG „Kinder und Säuglingsperfusion“ der DGfK empfiehlt als maximale Menge 20%iger HA-Lösung 20 ml/kg KG pro Patienten und EKZ-Einsatz.
Eine ausführliche Beschreibung zum Einsatz von HA findet sich im digitalen Supplement zu diesem Artikel.
Blutprodukte
> Erythrozytenkonzentrate
Die Frage, ob und wann EK in der Säuglingsperfusion verabreicht werden soll, wird in der Kinderherzchirurgie viel gestellt und kontrovers diskutiert. Die Antworten sind vielschichtig und schlussendlich auch von medizinischen Begleitfaktoren und technischen Gegebenheiten abhängig.
Die NATA-Guidelines (Patient Blood Management for Neonates and Children undergoing Cardiac Surgery) empfehlen, mit einer „low-quality“ Evidenz, die Gabe von Fremdblut, um einen Hämatokritwert von >24 % aufrechtzuerhalten [51].
Hoffmann et al. erachten ein Hämatokrit während der EKZ von >25 % als erstrebenswert. Allerdings könnte ein erweitertes Monitoring, wie zum Beispiel die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS), die Transfusionsziele individualisieren [52].
Diese individualisierte Betrachtung ging ebenfalls aus einem Statement der Pediatric Critical Care Transfusion and Anemia Expertise Initiative (TAXI) hervor. Bei Kindern, die sich einer Herzoperation unterziehen müssen, wird empfohlen auf den klinischen Gesamtkontext zu achten und das Risiko und den Nutzen einer Transfusion gegeneinander abzuwägen [53].
Laut Matte und Oldeen et al. sollte ein „Perfusion Plan“ vorhanden sein – eine klinikinterne SOP, die sich an den anästhesiologischen und herzchirurgischen Präferenzen orientiert und beim Team-Timeout den Perfusionisten mitgeteilt wird [54,55].
Daneben werden je nach Grunderkrankung und Art der Operation das Perfusions- und Transfusionsmanagement angepasst, um vor allem zyanotische Vitien nicht unterzuversorgen. Dementgegen gibt es zunehmend Hinweise, dass eine liberale Transfusion von Blutprodukten die Morbidität von Kindern ungünstig beeinflussen kann [56,57]. Der Gebrauch von Blutprodukten soll deshalb durch präoperative Optimierung, blutsparende Operationsverfahren und restriktive Transfusion vermindert werden [4].
> Therapeutisches Plasma
Therapeutisches Plasma (Q-Plasma) steht in Form von Einzelspenderplasma oder gepoolt entweder in gefrorenem oder gefriergetrocknetem Zustand zur Verfügung. Es enthält alle Komponenten des Blutplasmas (Wasser, Elektrolyte und Proteine). Therapeutisch bedeutsam sind hierbei die Albumine sowie sämtliche Gerinnungsfaktoren und Inhibitoren der Hämostase. Die Proteinkonzentration ist abhängig vom Eiweißspiegel des einzelnen Blutspenders. Es bestehen besondere Anforderungen hinsichtlich Lagerung, Haltbarkeit, Transport und Verabreichung. Nach den Leitlinien der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten ist grundsätzlich eine prophylaktische Gabe von therapeutischem Plasma vor operativen Eingriffen nicht angezeigt, weder für die Anwendung als Volumenersatztherapie, noch zum Anheben des KOD oder zur Prophylaxe von postoperativen Blutungen (Empfehlungsgrad 1A) [58]. Jedoch erlaubt diese Leitlinie den Einsatz bei Neugeborenen und Kleinkindern bei Operationen am kardiopulmonalen Bypass oder an extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) als Priminglösung zusammen mit EK und gegebenenfalls auch TK. Begründet wird dies ebenfalls mit einem Empfehlungsgrad von 2C, aufgrund der Diskrepanz zwischen Primingvolumen und kindlichem Blutvolumen [58].
Medikamentenzusätze
> Osmotherapeutika
Osmotherapeutika (z. B. Mannitol) sind hypertone Infusionslösungen, die zu einer Erhöhung des osmotischen Druckes im Extrazellularraum führen und damit dem umliegenden Gewebe Wasser entziehen sollen. In der vorliegenden Umfrage eruiert, verwenden 45–50 % der befragten Kliniken gewichtsgruppenspezifisch 1,5–3 ml/kg KG 20%iges Mannitol im Priming. Es dient hierbei zur Vorbeugung bzw. Behandlung von Ödemen, sowie zur Förderung der Diurese an der EKZ. Klassische Anwendungsgebiete für Osmotherapeutika sind die Therapie bei akutem Nierenversagen infolge eines Traumas und die Hirnödemprophylaxe bzw. -therapie sowie die Senkung des Hirndrucks bei intakter Blut-Hirn-Schranke.
Der wissenschaftliche Beweis, ob die erhöhte Ausscheidung ein Anzeichen für eine bessere Nierendurchblutung ist und somit protektive Effekte auf die Niere hat, steht noch aus.
Mehrere Studien aus dem EKZ-Anwendungsgebiet der erworbenen Herzfehler konnten durch Zugabe von bzw. den Verzicht auf Mannitol im Priming keine signifikanten Vorteile und keine relevanten Verbesserungen im Outcome feststellen, die dem Mannit zugeschrieben werden können [59–61]. Allerdings zeigten alle Studien den Bias einer Kombination aus z. B. HA, Hämofiltration und anderen Kolloiden im Priming, sodass die isolierte Osmofundin-Wirkung nicht ermittelt werden konnte. Einzig Esfahani et al. haben 60 Patienten mit Spendernieren in zwei Gruppen mit und ohne Mannitoltherapie aufgeteilt und konnten hier keine Unterschiede hinsichtlich der Nierenfunktion feststellen [62].
In der AWMF-Leitlinie 24-018 wurde konsentiert, dass bei einem durch Gewebsschwellung pathologisch erhöhten intrakraniellen Druck eine Osmotherapie mit hypertoner Kochsalzlösung oder Mannitol eingesetzt werden sollte. Die Leitlinie besagt aber auch, dass es hier bei Überdosierung zu Nierenversagen kommen kann [63].
Die aktuelle Leitlinie der Brain Trauma Foundation hat aufgrund der mangelnden Studienqualität für Mannitol, bezogen auf die Senkung des Hirndrucks, keine Empfehlung für den Einsatz gegeben [64]. Der Einsatz von Osmofundin im Priming muss bei dieser schwachen Evidenz kritisch hinterfragt werden.
> Antioxidantien
Vitamin C zählt zu den Antioxidantien und ist insbesondere bei pädiatrischen Patienten ein möglicher Zusatz im Priming der EKZ [65]. In der aktuellen Umfrage geben lediglich 5 % der befragten Kliniken Vitamin C als Radikalfänger ins Priming.
Eine ausführliche Beschreibung zum Einsatz von Antioxidantien findet sich im digitalen Supplement zu diesem Artikel.
Natriumbicarbonat
Die Indikation zur Verwendung von 8,4%igem NaBic ist die Korrektur metabolischer Azidosen. Die Dosierung richtet sich nach dem Ausmaß der Störung des Säure-Basen-Haushalts. Die vorliegende Umfrage zeigt, dass gewichtsgruppenabhängig 45–55 % der Kliniken NaBic als festen Bestandteil sowie 14–23 % NaBic optional als Primingzusatz verwenden. In einer internationalen Umfrage im Jahr 2021 zum Management von Säuglingen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern zeigte sich, dass 76 % der Zentren in Europa und 76–100 % weltweit NaBic als festen Primingbestandteil ausgewiesen haben [46]. Wegen des alkalischen pH-Wertes ist NaBic mit vielen Arzneimitteln inkompatibel. Insbesondere eine Kombination mit calcium-, magnesium- und phosphathaltigen Lösungen kann zu Ausfällungen führen. Eine ausführliche Beschreibung zum Einsatz von NaBic findet sich im digitalen Supplement zu diesem Artikel.
> Kortision und Antibiotika
Kortison (z. B. Prednisolon) wird als Entzündungshemmer und zur Supprimierung der Immunabwehr eingesetzt. Auch bei akut auftretenden allergischen Reaktionen kann es eingesetzt werden. Die unspezifische, standardmäßige Gabe sollte genau überlegt werden. Ähnliches gilt für den unspezifischen Einsatz von Antibiotika (z. B. Cefuroxim). Hierdurch besteht die Gefahr, dass weitere Resistenzen gezüchtet werden, die einer gezielten antibakteriellen Behandlung entgegenstehen. Allerdings zeigt sich im internationalen Vergleich, vor allem in Nordamerika, dass bis zu 40 % der Kollegen Antibiotika als festen Bestandteil des Primings nennen [46].
> Tranexamsäure
Durch die inflammatorische Reaktion des Blutes auf das EKZ-System und der Hämodilution durch das Priming kommt es zu einer Störung des fibrinolytischen Systems. Tranexamsäure (TXA) wird hier zur Hyperfibrinolyseprophylaxe eingesetzt. Es werden verschiedene Applikationsarten verwendet. Intraoperativ wird TXA meist kontinuierlich seitens der Anästhesie appliziert, aber auch der direkte Zusatz im Priming ist eine Möglichkeit der Verabreichung. In der vorliegenden Umfrage wurde dieses Vorgehen in 9 % der Kliniken angewandt. Eine weltweite Umfrage von 147 Kliniken zeigt dagegen, dass 29 % TXA dem Priming zugeben [46].
> Calcium
Bei der Auswahl der Primingsubstanz ist auf die Besonderheiten einer Hypercalcämie und ihrer Ursachen zu achten. Gekennzeichnet ist eine neonatale Hypercalcämie durch ein Gesamtserumcalcium von >3 mmol/l bzw. des ionisierten Calciums von >1,5 mmol/L. Die Therapie erfolgt zumeist über ausscheidungsunterstützende bzw. verdünnende Maßnahmen.
Schwerwiegendere Hypercalcämien findet man bei Diagnosen wie dem Williams-Beuren-Syndrom, subkutanen Fettnekrosen, Hyperplasie der Nebenschilddrüse, anormaler Nierenfunktion sowie maternalem Hyperparathyreoidismus. In diesen beschriebenen Fällen sollte auf calciumfreies oder zumindest calciumreduziertes Priming zurückgegriffen werden. Bei der gut zu behandelnden neonatalen Hypocalcämie, deren Ursache ein zu hoher Phosphatspiegel ist, liegt das Gesamtcalcium bei <1,75 mmol/l bzw. das ionisierte Calcium <0,75 mmol/l. Merkmale sind eine verlängerte QR-Zeit, neurologische Symptome, Hypertonie, Apnoe und Tetanie. Aufgrund der Tatsache, dass Calcium zum größten Teil an Albumin gebunden ist, ergibt sich eine pH-Wert-Abhängigkeit, da Wasserstoff- und Calciumionen um die gleiche Bindungsstelle konkurrieren [66].
Um auf jeden Fall einer Hypercalcämie entgegenzuwirken, sollte auf zusätzliche Calcium-Dosen im Priming verzichtet werden, da diese bei Neugeborenen in der Ischämie- und Reperfusionsphase zu Calcium-induzierten Zellschäden führen können [17,67]. Beim Vorliegen einer Hypocalcämie an der EKZ wird diese idealerweise kurz vor Beendigung der EKZ durch Calciumgaben ausgeglichen. Hierbei ist der Effekt der inotropen Wirkung von Calcium am höchsten und hilft bei der Gerinnungsstabilisierung.
> Magnesium
Magnesium ist neben Calcium und Kalium ein weiteres wichtiges membranstabilisierendes Kation. Sowohl in Vollelektrolytlösungen als auch in blutbasiertem Priming ist Magnesium zu finden. Es ist essenziell und bei allen ATP-abhängigen Stoffwechselprozessen vorhanden. Magnesium gilt als Antagonist zu Calcium und folgt somit einer modulierenden Wirkung [66].
Prophylaktische Magnesiumgaben in der peri- und postoperativen Phase schützen vorbeugend vor postoperativem Vorhofflimmern und wirken insgesamt stabilisierend auf den Herzrhythmus [68–70].
Bezogen auf das Priming sollte immer beachtet werden, was die Lösungen in der Ischämie-Phase des Herzens bewirken können. Ein hoher Magnesiumspiegel wirkt hierbei als natürlicher Calciumkanalblocker. Bei der Anwendung von hypothermen Kardioplegielösungen verbessert Magnesiumsulfat die ventrikuläre Regeneration, wenn es gleichzeitig gelingt, den Calciumspiegel in der Zelle niedrig zu halten bzw. zu kontrollieren [71].
> Heparin
Durch die Fremdoberfläche der EKZ wird das Gerinnungs- und Komplementsystem des Patienten aktiviert, und es würde durch die Kontaktaktivierung zur sofortigen Thrombosierung des EKZ-Systems mit dem integrierten Oxygenator kommen. Für die EKZ ist essenziell, dass eine sichere Hemmung der Hämostase gewährleistet werden kann [72]. Daher wird, wenn keine Unverträglichkeiten bestehen, unfraktioniertes Heparin (UFH) initial vor dem EKZ-Start durch die Anästhesiologie direkt in den Patienten und zusätzlich eine definierte Dosis ins Priming des EKZ-Systems gegeben. Diese wird mit Point of Care Activated Clotting Time (ACT)-Messgeräten auf ihre Wirkung hin kontrolliert. In der “EACTS/EACTA/EBCP guidelines on cardiopulmonary bypass in adult cardiac surgery” wird die ACT für die Anwendung der EKZ bei Herzoperationen auf größer 480 Sekunden empfohlen [73].
McLean entdeckte 1916 Heparin als körpereigenen gerinnungshemmenden Wirkstoff [74]. Heparin ist ein Mukopolysaccharid und geht direkt nach der Injektion bei der Anwesenheit seines Kofaktors einen Heparin-Antithrombin-Komplex ein. Dieser inaktiviert das Thrombin und wahrscheinlich noch die Faktoren IXa, XIa und XII2. Durch die Hemmung der thrombininduzierten Thrombozytenaggregation wirkt Heparin auf die Thrombozyten. Allerdings kann es hierbei auch zu einer Thrombozytopenie kommen. Die inhibierende Wirkung des Heparins kann durch die Komplexbildung mit dem Antithrombin im Blut um den Faktor 1000 erhöht werden [75].
Neben niedermolekularem Heparin (NMH) wird Heparin aus dem unfraktionierten Heparin (UFH) gewonnen. UFH als „pures“ Heparin, wird parenteral für die Anwendung der EKZ appliziert und ist ein sehr schnell wirkendes „Blutverdünnungsmittel“. Unfraktioniertes Heparin, auch hochmolekulares Heparin genannt, wird vorwiegend aus der Darmmukosa von Schweinen gewonnen. Da es sich bei diesem Heparin um ein aus Tieren gewonnenes Erzeugnis handelt, ist eine Schwankung in der Qualität bezogen auf die Molekularmasse und damit verbundene Wirksamkeit assoziiert. Die Halbwertszeit für UFH beträgt 1 Stunde und für das NMH 4–6 Stunden. Die Elimination von Heparin erfolgt über den renalen Weg mittels Heparinase. Als Heparin-Antidot steht das aus Lachssperma gewonnene Protamin zur Verfügung [76]. Protamin kann die Wirkung von UFH bis zu 100 % aufheben, die Wirksamkeit von NMH allerdings nur zu ca. 60 % [72].
> Inzolen
Inzolen ist eine von der Köhler Chemie (Dr. F. Köhler Chemie GmbH, Bensheim, Deutschland) hergestellte Infusionslösung, welche für Kinder ab 4 Jahren und für Erwachsene zugelassen ist. Hauptbestandteile der Lösung sind Kalium, Magnesium, Kupfer, Zink, Mangan und Cobalt in folgenden Konzentrationen: [77]
- Kalium-DL-Hydrogenaspartat: 50,0 g/l
- Magnesium-bis-DL-Hydrogenaspartat 50,0 g/l
- Kupfer(II)-bis-DL-Hydrogenaspartat 1,0 g/l
- Magnesium-(II)-DL-Hydrogenaspartat 0,2 g/l
- Zink-DL-Hydrogenaspartat 0,3 g/l
- Kobalt(II)-bis-DL-Hydrogenaspartat 0,2 g/l
Verwendung findet das Medikament bei Patienten mit erhöhtem Kalium- und Magnesiumbedarf. Durch Substitution dieser beiden Hauptbestandteile von Inzolen wird eine elektrische Stabilisierung der Myokardzellen erreicht. Weiter fördert das Magnesium die Leistung der Natrium-Kalium-Pumpe, wirkt als physiologischer Calciumantagonist und reduziert Arrhythmien. Dies ist besonders nach einem kardioplegischen Herzstillstand von Bedeutung, da der Elektrolythaushalt durch die diversen Lösungen unterschiedlich beeinflusst wird. Die Substitution von Elektrolyten und Spurenelementen wurde im Bereich der Kinderherzchirurgie noch nicht weitgehend untersucht. Piper et al. veröffentlichten im Jahr 2007 eine Studie, welche sich damit befasste, ob die Substitution von Kalium-Magnesium-Aspartatlösung einen präventiven Effekt auf Vorhofflimmern bei Patienten nach Bypass-Operation hat, konnten allerdings trotz optimierter Kaliumwerte, keine signifikante Differenz zur Kontrollgruppe ohne Inzolen-Substitution nachweisen [78].
Optimierung von EK-basiertem Priming
Das in den „Guidelines for Pediatric and Congenital Perfusion Practice” der American Society of Extra Corporeal Technology empfohlene Vorgehen bei Verwendung von EK zum Priming der EKZ-Systeme ist die präoperative Anwendung der Ultrafiltration oder das Verwenden von gewaschenem EK [54].
Hämofiltration von Priming
Durch die präoperative kontinuierliche Hämofiltration des Primings bei Einsatz von gelagerten EKs werden unerwünschte Bestandteile wie die Konservierungslösung, Laktat, Citrat und Cytokine eliminiert [79,80]. 64 % der befragten Kliniken führen dieses Verfahren der Primingfiltration vor dem Start der EKZ durch. Dadurch wird das mit VEL vorgefüllte System, welches mit den klinikspezifischen Primingzusätzen versetzt wurde, wieder auf das minimal nötige Füllvolumen reduziert. Einige Kliniken filtern bei EK-Zugabe mit bis zu 2 Litern HFL, um das Priming möglichst physiologisch zu gestalten.
Waschen von Erythrozytenkonzentraten
Das Waschen von allogenem Blut zum Primen der EKZ mittels maschineller Autotransfusion (MAT) ist, wie die vorliegende Umfrage zeigt, im klinischen Alltag eine gängige Praxis. Abhängig von der Patientengruppe führen 14–23 % der befragten Kliniken eine MAT-Behandlung der EK vor der Transfusion durch.
Die EK-Gabe kann mit unterschiedlichen Nebenwirkungen assoziiert sein, die mit der Art der Lagerung und den damit verbundenen Veränderungen der Erythrozyten in Zusammenhang gebracht werden können [81]. Durch die strukturellen Veränderungen an der Zelle werden z. B. Kalium und Laktat freigesetzt. Arbeitsgruppen aus Hannover und Erlangen konnten zeigen, dass durch die MAT-Behandlung und Resuspension in bikarbonatgepufferter, glukosehaltiger HFL die Überlebenswahrscheinlichkeit der Erythrozyten ansteigt. Auch ist die nach der MAT-Waschung erreichte Zusammensetzung physiologischer, was weniger transfusionsbedingte Komplikationen erwarten lässt [82, 83].
Neben den positiven Effekten auf die Elektrolyt-Zusammensetzung der aufbereiteten EK konnten mehrere Studien den Nachweis erbringen, dass der Weichmacher (DEHP) sowie sein direkter Metabolit (MEHP) ebenfalls signifikant reduziert werden können [84–86].
Zusammenfassung
Wie die Umfrage zeigt, bestehen verschiedene Konzepte zum Priming der EKZ. Abhängigkeiten zwischen den Anteilen der Primingzusätze und der EKZ-Füllmengen waren nicht erkennbar. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es auch nach dieser Umfrage noch kein klares Bild, nach welchen Kriterien die Primingzusammensetzungen in den Kliniken gewählt wurden.
Ansätze, bei kleinen Systemen nur auf VEL mit Heparin zurückgreifen zu können, sind nur bei einer Optimierung der Säuglings-HLM hinsichtlich Minimierung der Füllvolumina denkbar. Dann könnte eventuell auch auf Optimierungsprozesse des Primings wie z. B. die Vorfiltration verzichtet werden. Walczak et al. zeigen, dass 70 % aller Zentren weltweit die Elektrolytlösung „Plasmalyte A“ als Priminggrundlage verwenden. In Nordamerika sind es sogar 93 % [46]. Die Lösung hat den Vorteil, dass sie kein Calcium enthält und so dem Reperfusionsschaden entgegenwirken kann. Auch der Anteil von Chlorid ist dem des Blutplasmas angenähert, und gerade bei den Säuglingen scheint der Glukose-Anteil in der Lösung Vorteile zur Stabilisierung des Glukose-Stoffwechsels zu bringen. In Deutschland ist „Plasmalyte A“ zulassungsbedingt nicht verfügbar.
Limitation
In der Abfrage der Primingmengen wurde darauf hingewiesen, dass Kardioplegie- und Hämofiltrationssysteme mit zu berücksichtigen sind. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Passus überlesen wurde und nur das statische Priming des reinen EKZ-Systems angegeben wurde.
Schlussfolgerung
Zwar ergibt sich aus der vorliegenden Übersichtsarbeit noch keine einheitliche Primingstrategie, dennoch zeigt sich, dass mit der Minimierung der EKZ-Systeme die Möglichkeit eröffnet wird, auf Primingzusätze und Fremdblutprodukte zu verzichten. Mit diesem Artikel ist der Ist-Stand des EKZ- Primings der Mitgliedskliniken der AG „Kinder- und Säuglingsperfusion“ der DGfK ermittelt und vor dem Hintergrund der bestehenden Literatur diskutiert worden. Durch eine 100%ige Rücklaufquote wurde eine vollständige Übersicht über die derzeitigen Primingstrategien bei Kindern und Säuglingen bis 25 kg Körpergewicht erarbeitet. An einem gemeinsamen Konsens über die optimale Priminglösung muss weitergearbeitet werden.
Acknowledgment
Seit 2013 bietet die AG „Kinder- und Säuglingsperfusion“ der DGfK allen klinisch tätigen Kinderperfusionisten eine gemeinsame Plattform. Das Expertengremium konsentiert vorherrschende Perfusionskonzepte mit einschlägiger Literatur zu Handlungsempfehlungen für die Kinder- und Säuglingsperfusion. Wir danken allen Kolleginnen und Kollegen, die durch ihre Teilnahme an der Umfrage und durch konstruktiv kritische Kommentare bei der Entstehung des Artikels mitgewirkt haben.
Ethische Aspekte
Es handelt sich bei der Arbeit um eine multizentrische Umfrage unter den deutschen Kinderherzzentren und einer Schweizer Klinik. Die Beurteilung der täglichen Praxis wurde vom Expertengremium der Arbeitsgruppe in Abgleich mit der aktuellen Literatur durchgeführt. Da keine Patientendaten in die Datenerhebung eingeflossen sind, war kein Ethikvotum notwendig.
Interessenkonflikte
Alle Autoren der Arbeitsgruppe geben an, keine Interessenkonflikte zu haben, die im Zusammenhang mit dem vorliegenden Artikel stehen.
Danksagung
Die Autoren der Arbeitsgruppe danken Herrn Prof. Dr. R. Sümpelmann, Oberarzt der Anästhesie und Intensivmedizin in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover für die fachliche Unterstützung bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit.