EDITORIAL
Liebe Leser:innen,
liebe Perfusionist:innen,

Veränderungen gehen immer mit gesellschaftlichem Wandel einher. Dass erst im Jahr 1919 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt wurde, ist heute kaum vorstellbar. Bis Juli 1958 konnte der Ehemann nach eigenem Ermessen die Arbeitsstelle seiner Frau kündigen. In Bayern mussten Lehrer:innen beispielsweise ihren Beruf aufgeben, wenn sie geheiratet hatten. Erst im Juli 1977 wurde mittels § 1356 BGB eine gleichberechtigte Regelung gefunden: „Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung in gegenseitigem Einvernehmen.“ Heute spricht man bei solchen Dingen von einer „Zeitenwende.“ Auch in der Medizin, in der wir täglich an zukunftsfähigen Behandlungen arbeiten, lohnt sich der Blick zurück. Wir Perfusionist:innen sind aus der Gruppe der Herzchirurg:innen hervorgegangen. Perfusionen wurden vielschichtiger und komplexer und somit von den Herzchirurg:innen selbst nicht mehr leistbar. Ein weiteres Beispiel aus der Zeit sind die Anästhesist:innen. Mit der Entwicklung der Chirurgie wurde klar, dass während der chirurgischen Intervention die Patient:innen engmaschig überwacht werden müssen. Aus dieser intraoperativen Überwachung und spezifischen Forschung entwickelte sich das komplexe Fach der Anästhesiologie. Keiner würde heute noch behaupten, dass die Abteilung für Anästhesiologie kein eigenständiger Fachbereich sei.
In der Perfusiologie stehen wir gerade an diesem Scheideweg. Wir fragen uns seit Jahren: Wo stehen wir und wo sehen wir die Zukunft unseres Berufes? Unser Aufgabenbereich entwickelt sich zunehmend zu einem eigenständigen Fachgebiet der Perfusiologie und Technischen Medizin mit immer umfangreicheren Aufgaben auch außerhalb der Herzchirurgie. Als Bindeglied im multiprofessionellen Zusammenspiel der modernen Medizin können wir Perfusionist:innen unsere technisch-medizinischen Kompetenzen für innovative Medizin einsetzen. Aus unserer Sicht sollten technische und personelle Ressourcen der Perfusiologie im Krankenhausstrukturplan aufgenommen werden, um so der gesamten medizinischen Patient:innenversorgung zur Verfügung zu stehen. Dabei muss die Indikationsstellung sowie die Koordination der Dringlichkeit ärztliche Aufgabe bleiben.
Um der Entwicklung der Perfusionist:innen Rechnung zu tragen, hat sich die Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik
e. V. zum 1.1.2025 in die Deutsche Gesellschaft für Perfusiologie und Technische Medizin e. V. (DGPTM) umbenannt.
Neben den klassischen Feldern wird die Zukunft der Ex-vivo-Perfusionstechnologie für den Transport und die Evaluierung der Organe in unserer Wahrnehmung in fachkundigen
Händen von Perfusionist:innen liegen müssen. Die Zukunft der Transplantationsmedizin scheint nur gemeinsam mit Perfusionist:innen ein erfolgssprechendes Konzept multidisziplinärer Zusammenarbeit auf höchstem qualitativen Level zu sein. In der vorliegenden Ausgabe beschäftigt sich die AG um Prof. Lurje aus Heidelberg mit der Ex-vivo-Organprotektion, welches thematisch mit einem Positionspaper Ex-vivo-Organperfusion und der Vorstellung der DSO ergänzt wird.
Frau Galova aus Bern bietet mit ihrer Arbeit zu Transfusionstriggern von Erythrozytenkonzentraten bei Neugeborenen und Säuglingen eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe.
Aus der AG Rhythmologie der DGTHG widmet sich Dr. Heck der ICD-Indikation, Implantation und Programmierung – einem weiteren wichtigen Arbeitsfeld der Perfusiologie und Technischen Medizin. Im nun mehr 13. Statistik-Tutorial bringt uns Prof. M. Kohl die „Lineare Regression“ näher und stärkt damit die Kompetenzen unseres Fachs.
Die Stellungnahme zum Einsatz der VA-ECMO unter außerklinischer extrakorporaler kardiopulmonaler Reanimation rundet diese Ausgabe ab.
Kollegiale Grüße
Mit diesem Ausblick möchte ich Sie alle in eine spannende Lektüre unserer Fachzeitschrift und in ein erfolgreiches Jahr 2025 entlassen.
Ihr Frank Münch Präsident der DGPTM