
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
für viele ist diese erste Ausgabe der Fachzeitschrift „Die Perfusiologie“ (vormals KARDIOTECHNIK) mit allerlei Emotionen und Überlegungen verbunden. Wie bereits im letzten Jahr angekündigt, hatten wir uns als Herausgeber, Mitherausgeber, Redaktion und Verlag entschieden, nach den vielen erfolgreichen Jahren den Namen unserer Fachzeitschrift zu verändern. Wir folgen damit einer gängigen Praxis, die bereits seit mehreren Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Welt zu beobachten ist. In den letzten Jahren waren es vorwiegend sprachliche Überlegungen, die weg von einer personenbezogenen Fachbezeichnung hin zur neutralen Fachbeschreibung gingen. Viele Fachgesellschaften tolerierten den möglichen Verlust von Impactpunkten, wussten aber, dass deren Fortschreibung bei unverändertem Inhalt zu verschmerzen ist. Wir beziehen uns mit dem neuen Namen auch auf die Fachbeschreibung und denken, dass der nun stärkere wissenschaftliche Bezug des Namens „Die Perfusiologie“ strategisch sinnvoll sein wird. Inhaltlich wollen wir uns natürlich nicht von der guten und vor allem notwendigen technischen Ausrichtung unseres Berufes distanzieren. Beides wird notwendig sein, um die Patientenversorgung theoretisch zu hinterfragen und zu untermauern und praktisch umzusetzen. Wir fühlen uns verpflichtet, mit einem aktualisierten Erscheinungsbild fundierten und praktisch anwendbaren Inhalt zu bieten, so wie wir es kennen.
Nun aber zu Fundament und Anwendung: Wir kennen alle die Diskussion um den Schaden der extrakorporalen Zirkulation und versuchen immer wieder, diesen zu beschreiben und zu quantifizieren. In den frühen Jahren der Kardiotechnik kannte man bereits die sofortige Destruktion geformter Elemente, die Bildung sogenannter ghost cells ohne Funktion und die subletale Destruktion mit verminderter Funktion oder Lebensspanne. Bernstein, Castaneda und Varco hatten dies 1965 in den Transactions – American Society for Artificial Internal Organs unter dem Titel „Some Biologic Limitations to Prolonged Blood Pumping“ veröffentlicht [1]. Ihnen war der zeitliche Bezug bewusst, die zeitliche Schwelle ließ sich aber kaum definieren. Nach wie vor ist der zeitliche Bezug ein wichtiger Faktor, zusätzlich können aber auch andere Indizes wie kumuliert gepumptes Blutvolumen, integrierte Berechnungen wie die Fläche unter der Kurve o. Ä. mit einbezogen werden.
Die Quantifizierung ischämischer Schäden stellt uns vor das gleiche Problem, stets haben wir die Zeit im Nacken und versuchen ischämische Phasen und damit den Einfluss auf Morbidität und Mortalität zu reduzieren. In der aktuellen Ausgabe haben die Kolleginnen und Kollegen des Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart die Thematik der goal-directed perfusion wieder aufgenommen und retrospektiv bei 291 Patient:innen den Sauerstoffanlieferungsindex im Zusammenhang mit dem akuten Nierenversagen untersucht. Der Index war bei Patient:innen mit Nierenversagen insgesamt niedriger, aber nicht signifikant unterschiedlich. Es bleibt also weiterhin spannend, wie wir eine adäquate Perfusion definieren und auch umsetzen können. Bezüglich einer intraoperativen Hypotension als möglicher Vorhersagewert einer 30-Tages-Mortalität bei nicht herzchirurgischen Patient:innen gibt es dagegen aussagekräftige Daten. Eine retrospektive Auswertung der Daten von ca. 19.000 Patient:innen in den USA zeigte, dass ein systolischer Blutdruck <67 bzw. 49 mmHg über eine Zeitdauer >8,2 bzw. 3,9 min bereits mit einer höheren postoperativen Mortalität verbunden war [2]. Die kritische Bewertung einer adäquaten Perfusion ist also schwierig, aber nicht unmöglich.
Neben den eher theoretischen Überlegungen diskutieren wir in dieser Ausgabe außerdem über zukünftige Kompetenzen unseres Berufsbildes, die es dann durch die Ausbildung über die Hochschulen und die fachpraktische Ausbildung in den Kliniken umzusetzen gilt.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen dieser ersten Ausgabe unter neuem Namen
Johannes Gehron
- Bernstein EF, Castaneda AR, Varco RL. Some Biologic Limitations to Prolonged Blood Pumping. ASAIO Journal. 1965;11(1):118-21.
- Monk TG, Bronsert MR, Henderson WG, Mangione MP, Sum-Ping STJ, Bentt DR, et al. Association between Intraoperative Hypotension and Hypertension and 30-day Postoperative Mortality in Noncardiac Surgery. Anesthesiology. 2015;123(2):307-19. doi: 10.1097/aln.0000000000000756.